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Wer ein falsches Verkehrsschild sieht, darf sich darauf verlassen

 

Frage: Herr Schüler, in Freudenberg im Siegerland haben Unbekannte ein Tempo-50-Schild über ein Tempo-30-Schild gehängt. Kurz danach blitzte ein mobiler Blitzer mehrere Autofahrer. Wie bewerten Sie diesen Fall?

Oliver Schüler: Das ist ein klassischer Fall von Manipulation an einem Verkehrszeichen – und juristisch sehr eindeutig. Wer ein gefälschtes oder manipuliertes Schild sieht, kann als Verkehrsteilnehmer nicht erkennen, dass es nicht ordnungsgemäß aufgestellt wurde. Autofahrer dürfen sich grundsätzlich auf die sichtbare Beschilderung verlassen.

Das bedeutet: Wer an dieser Stelle mit 50 km/h geblitzt wurde, hat sich rechtlich korrekt verhalten– selbst wenn dort eigentlich Tempo 30 gilt.

Frage: Heißt das, alle Bußgeldbescheide in diesem Fall sind automatisch unwirksam?

Oliver Schüler: Ja, genau. Der Kreis Siegen-Wittgenstein hat das auch richtigerweise bestätigt: Aufgrund der Täuschung werden die Verstöße nicht geahndet.

Juristisch betrachtet fehlt es in solchen Fällen an einer sogenannten objektiven Pflichtverletzung. Die Straßenverkehrsordnung verlangt, dass sich Verkehrsteilnehmer an die „amtlich angeordneten Verkehrszeichen“ halten. Wenn ein Schild aber manipuliert oder gar gefälscht wurde, handelt es sich nicht um ein amtliches Verkehrszeichen – also auch nicht um eine gültige Anordnung.

Kurz gesagt: Keine wirksame Anordnung, keine Ordnungswidrigkeit.

Frage: Könnte man den Autofahrern trotzdem vorwerfen, sie hätten die Situation erkennen müssen – zum Beispiel, dass 50 km/h dort zu schnell sein könnten?

Oliver Schüler: Theoretisch ja, praktisch nein. Natürlich gilt immer eine gewisse Eigenverantwortung: Wer zum Beispiel durch eine Tempo-30-Zone mit Schule und Bushaltestelle rast, kann sich nicht blind auf jedes Schild berufen.

Aber in diesem konkreten Fall sprechen die Umstände klar für die Autofahrer. Das manipulierte Schild sah echt aus, war an der üblichen Stelle angebracht und überdeckte vollständig das echte Tempo-30-Schild. Von einer „offensichtlichen Fälschung“ konnte keine Rede sein. Die Fahrer hatten also keinen Anlass, an der Gültigkeit zu zweifeln.

Frage: Wie ordnet das Strafrecht den Vorfall ein?

Oliver Schüler: Hier kommt der Straftatbestand des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (§ 315b StGB) ins Spiel. Wer ein Verkehrsschild manipuliert, um andere zu täuschen oder den Verkehr zu stören, begeht eine sehr ernste Tat.

Schon der Versuch ist strafbar– genau deshalb ermittelt die Polizei in Freudenberg wegen eines „versuchten gefährlichen Eingriffs“. Die Tat ist mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht, in besonders schweren Fällen sogar mit zehn Jahren.

Man darf nicht vergessen: Durch solche Aktionen kann es leicht zu Unfällen kommen, etwa wenn Autofahrer plötzlich abbremsen oder sich gegenseitig gefährlich überholen.

Frage: Was raten Sie Autofahrern, die in eineähnliche Situation geraten – etwa wenn sie glauben, ein Schild sei falsch?

Oliver Schüler: Zunächst gilt: Wer sich nicht sicher ist, sollte vorsichtig fahren. Wenn die Beschilderung widersprüchlich wirkt, also zum Beispiel erst 50 km/h und wenige Meter später 30 km/h angezeigt wird, empfiehlt sich die niedrigere Geschwindigkeit.
Wird man trotz allem geblitzt, sollte man niemals voreilig zahlen, sondern den Vorfall prüfen lassen. Oft zeigt sich erst bei genauer Akteneinsicht, dass ein Schild falsch stand oder unleserlich war. Ein erfahrener Fachanwalt kann dann Einspruch gegen den Bußgeldbescheid einlegen.

In der Regel hat der Betroffene gute Chancen, wenn er nachweisen kann, dass die Beschilderung unklar oder manipuliert war.

Frage: Wie kann so etwasüberhaupt passieren – und wer trägt die Verantwortung, wenn falsche Schilder auftauchen?

Oliver Schüler: Manipulationen wie in Freudenberg sind selten, aber nicht völlig ungewöhnlich. Manchmal handelt es sich um mutwilligen Vandalismus, manchmal um dumme Streiche.
Für die ordnungsgemäße Beschilderung ist grundsätzlich die Straßenverkehrsbehörde verantwortlich. Sobald diese aber nichts von einer Manipulation weiß und das Schild amtlich angeordnet war, trifft sie keine Schuld. Erst wenn bekannt wird, dass ein Schild beschädigt oder manipuliert wurde, muss die Behörde handeln und es entfernen – wie hier geschehen.

Frage: Was nehmen Sie als Fachanwalt aus diesem Fall mit?

Oliver Schüler: Dieser Vorfall zeigt sehr deutlich, wie sensibel unser Verkehrssystem auf klare Regeln angewiesen ist. Verkehrszeichen müssen verlässlich sein, sonst funktioniert das System nicht.
Für Autofahrer bedeutet das: Sie dürfen auf die Gültigkeit sichtbarer Verkehrsschilder vertrauen. Für die Behörden heißt es: Sie müssen Manipulationen sofort prüfen und öffentlich klarstellen, um Fehlverhalten oder ungerechtfertigte Bußgelder zu vermeiden.

Und für diejenigen, die Schilder manipulieren, gilt: Das ist kein Scherz, sondern eine Straftat.

Posted by on 5. Oktober 2025.

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Categories: Allgemein

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