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Enterbt? Vermögen verteilt?–Anspruch auf Pflichtteil prüfen lassen

 

Frage: Herr Kirchhoff, Sie sind auf das Pflichtteilsrecht spezialisiert. Warum enterben Erblasserüberhaupt ihre Nachkommen?

Helmut Kirchhoff: In der Praxis geschieht das tatsächlich recht häufig – meist aus Enttäuschung über das Verhalten eines Kindes oder Angehörigen. Viele Erblasser handeln dabei sehr emotional und wollen jemanden bewusst ausschließen. Doch sie wissen oft nicht, dass das Gesetz sehr enge Grenzen für eine wirksame Enterbung setzt. Eine bloße menschliche Enttäuschung reicht dafür nicht aus.

Nur in Ausnahmefällen – etwa bei schweren Vergehen wie einer begangenen oder geplanten Straftat gegen den Erblasser – kann das Pflichtteilsrecht entfallen. In allen anderen Fällen bleibt der Pflichtteilsanspruch bestehen. Das bedeutet: Selbst wenn jemand ausdrücklich enterbt wird, steht ihm in der Regel ein Pflichtteil in Geld zu.

Frage: Was sind nach Ihrer Erfahrung die häufigsten Gründe für eine Enterbung?

Helmut Kirchhoff: Interessanterweise sind die meisten Enterbungen gar nicht beabsichtigt. Viele Erblasser wollen niemanden ausschließen, sondern schlicht sicherstellen, dass eine bestimmte Person – meist der Ehepartner – nach ihrem Tod versorgt ist.

Ein typisches Beispiel: Der Erblasser vermacht in seinem Testament das gemeinsame Haus der Ehefrau, damit sie darin bis zu ihrem Tod leben kann. Er denkt dabei an Fürsorge, nicht an Ausschluss. Doch juristisch betrachtet hat er seine Kinder damit enterbt, denn er hat sie nicht als Erben eingesetzt.

Frage: Bleiben wir bei diesem Beispiel: Ein Vater schreibt in sein Testament, dass seine Ehefrau das Haus bekommen soll und die Kinder es nach ihrem Tod erben. Was bedeutet das rechtlich?

Helmut Kirchhoff: Das ist tatsächlich einer der häufigsten Fehler in der Testamentsgestaltung. Dem Erblasser ist meist nicht bewusst, dass er damit seine Kinder enterbt – zumindest für den ersten Erbfall.
Wenn der Vater das Haus ausschließlich seiner Ehefrau vermacht und kein weiteres Vermögen vorhanden ist, würde ohne Testament jedes Kind ein Viertel des Hauses erben. Durch die Verfügung zugunsten der Ehefrau verlieren sie diesen Erbteil, haben aber Anspruch auf ihren Pflichtteil.

Das heißt konkret: Jedes Kind kann von der Witwe eine Auszahlung in Höhe von einem Achtel des Hauswerts verlangen. Oft führt das zu Konflikten, weil die Witwe diesen Betrag nicht aufbringen kann, ohne das Haus zu verkaufen oder zu beleihen.

Frage: Gibt es eine Möglichkeit, zu verhindern, dass die Kinder ihren Pflichtteil fordern?

Helmut Kirchhoff: Ja, aber nur, wenn die Kinder vorher ausdrücklich auf ihren Pflichtteil verzichten – und das muss notariell vereinbart werden. Der Erblasser kann also mit den Kindern zu Lebzeiten eine Pflichtteilsverzichtserklärung treffen.

Andere Konstruktionen, wie etwa Strafklauseln in Testamenten, bieten keinen echten Schutz. Sie können zwar eine abschreckende Wirkung haben, verhindern aber die Geltendmachung des Pflichtteils nicht vollständig.

Frage: Was versteht man genau unter einer Strafklausel?

Helmut Kirchhoff: Eine Strafklausel findet sich häufig im sogenannten Berliner Testament. Dabei setzen sich Ehepartner gegenseitig als Alleinerben ein und bestimmen die Kinder zu Schlusserben, also als Erben des zuletzt Verstorbenen.

In einer typischen Strafklausel heißt es dann: „Fordert ein Kind nach dem Tod des Erstversterbenden seinen Pflichtteil, wird es beim Tod des Letztversterbenden ebenfalls nur mit dem Pflichtteil bedacht.“

Das bedeutet praktisch: Wenn ein Kind nach dem Tod des Vaters seinen Pflichtteil verlangt, muss die Mutter ihm beispielsweise ein Achtel des Hauswerts auszahlen. Stirbt später auch die Mutter, erhält dieses Kind nur noch den Pflichtteil – also ein Viertel – statt des ursprünglich vorgesehenen Erbteils. Es verliert also die Möglichkeit, später mehr zu bekommen.

Frage: Ist es dann sinnvoll, wenn Kinder freiwillig auf ihren Pflichtteil verzichten?

Helmut Kirchhoff: Das hängt sehr vom Einzelfall ab. Ein solcher Verzicht kann den überlebenden Ehepartner entlasten und den Familienfrieden sichern.
Aber man darf die Risiken nicht unterschätzen: Wenn etwa eine relativ junge Witwe das Haus erbt, besteht die Möglichkeit, dass sie später wieder heiratet und eventuell weitere Kinder bekommt. In diesem Fall könnte das Haus verkauft oder das Vermögen aufgebraucht werden.

Wer also heute auf seinen Pflichtteil verzichtet, in der Hoffnung, später einmal mehr zu erben, geht immer ein gewisses Risiko ein. Deshalb sollte man solche Entscheidungen nur nach eingehender rechtlicher Beratung treffen.

Frage: Was raten Sie Erblassern, um Streit in der Familie zu vermeiden?

Helmut Kirchhoff: Sprechen Sie frühzeitig mit allen Beteiligten – und lassen Sie sich rechtlich beraten, bevor Sie ein Testament verfassen. Viele Missverständnisse und Konflikte entstehen, weil gut gemeinte Regelungen juristisch ganz anders wirken, als gedacht.

Ein fachkundig gestaltetes Testament kann nicht nur Pflichtteilsstreitigkeiten vermeiden, sondern auch sicherstellen, dass Ihr letzter Wille tatsächlich umgesetzt wird.

Posted by on 5. Oktober 2025.

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Categories: Allgemein

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