Jahreswechsel als Chance: Wie Führungskräfte Gespräche von Bewertung entkoppeln

Warum klassische Mitarbeitergespräche Wirkung verspielen
Wenn Vergütung, Zielkontrolle und Jahresfeedback in einem Termin zusammenfallen, entsteht Druck. Häufige Folgen sind Selbstdarstellung statt Selbstreflexion, Monologe statt Dialoge und sinkende Offenheit. Wirksamkeit entsteht, wenn das Gespräch nicht kontrolliert, sondern Verstehen ermöglicht – über Wirkung, Bedingungen und Zusammenarbeit.
Perspektivwechsel: Vom Kontrolltermin zum Reflexionsraum
Reflexion heißt, Erfahrungen bewusst zu betrachten, Muster zu erkennen und Perspektiven zu erweitern. In einem handlungsorientierten Dialoggespräch stehen drei Leitfragen im Mittelpunkt:
* Was hat funktioniert – und warum?
* Welche Bedingungen haben Wirkung ermöglicht oder verhindert?
* Wie gestalten wir die Zusammenarbeit künftig?
Entscheidend ist die Trennung von Bonus und Reflexion. Nur so bleiben Ehrlichkeit und Neugier erhalten.
Struktur statt Bauchgefühl: Vorbereitung und Skalen-Dialog
Wirksam wird das Gespräch, wenn sich beide Seiten vorbereiten: Jede Person bewertet ausgewählte Aussagen (z. B. zu Zusammenarbeit, Klarheit, Verlässlichkeit) auf einer Skala von 1 bis 10 – aus eigener Perspektive. Im Gespräch werden die Bewertungen nebeneinandergelegt, Unterschiede begründet und in konkrete Schritte übersetzt. Zahlen dienen als Einstieg in den Dialog, nicht als Urteil.
Kurzes Praxisbeispiel (anonymisiert)
Eine Teamleitung und eine Mitarbeiterin vergleichen ihre Einschätzungen:
\“Ich kann Ideen gut einbringen und sie werden umgesetzt.\“- 5 vs. 7.
Statt zu verhandeln, fragen beide nach: _Was macht deine 5? Was bedeutet meine 7?_ Das Ergebnis sind vereinbarte Routinen: ein monatliches Ideenmeeting mit klaren Entscheidungen und kurze Feedback-Schleifen. Wirkung: mehr Transparenz, gegenseitiges Verständnis, verbindliche Folgeschritte.
Exkurs: Vier Orientierungen, die Zusammenarbeit prägen (Riemann-Thomann)
Für einen gemeinsamen Referenzrahmen hilft ein kurzer Blick auf vier Grundorientierungen:
Nähe (Beziehung, Miteinander)
Distanz (Aufgabe, Ergebnis, Klarheit)
Dauer (Struktur, Stabilität, Verlässlichkeit)
Wechsel (Innovation, Bewegung)
Teams gewichten diese Pole unterschiedlich. Gespräche gewinnen, wenn Führungskräfte Balance anstreben: Ergebnisse sichern, ohne Beziehung zu verlieren; Stabilität wahren, ohne Innovation zu blockieren.
Sieben Prinzipien für gelungene Entwicklungsgespräche
* Bonus und Reflexion trennen.
* Beide bereiten sich vor – Verantwortung liegt auf beiden Seiten.
* Skalieren ohne Urteilen. Zahlen sind Gesprächsanlässe.
* Aktiv zuhören und erst dann reagieren.
* Balance suchen zwischen Nähe/Distanz sowie Dauer/Wechsel.
* Erkenntnisse festhalten: Was bleibt? Was folgt?
* Regelmäßigkeit schaffen – Reflexion als Bestandteil der Führungskultur.
Starten Sie mit einem klar strukturierten Gesprächsformat, in dem Bewertungen als Perspektiven nebeneinanderliegen. Planen Sie Folgeschritte und Termine gleich mit ein. HR kann Prozesse professionalisieren, indem Vorbereitung, Dialog und Nachverfolgung vereinheitlicht werden – unabhängig von Vergütungslogiken.
Der Jahreswechsel ist ein geeigneter Zeitpunkt, Mitarbeitergespräche vom Beurteilungsritual zu lösen. Wer Dialoge konsequent auf Reflexion und Entwicklung ausrichtet, stärkt Vertrauen, Klarheit und Zusammenarbeit – und macht aus einem Pflichttermin einen produktiven Lernraum.
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